Heute morgen liessen wir es etwas später werden. Die Strecke war kürzer, die Besuche etwas weniger zahlreich. Das ist auch für uns angenehmer, weil wir so etwas mehr Zeit aufwenden können um mit den Menschen zu plaudern.
Also plaudern tun eigentlich nur Timea und Andre. Aber Timea gibt sich alle Mühe das gesagte zu übersetzen. Beim ersten Besuch wartete Juri auf uns. Er würde uns durch den Tag begleiten. Er ist Priester und hat einen Zirkel von Menschen die Er betreut.
Ein Besuch läuft in etwa so ab. Zuerst packe ich ein oder zwei Packete und allenfalls noch einen Sack mit Kleidern. Dann werden wir Empfangen und es gibt eine herzliche Begrüssung. Da die meisten Familien die wir besuchen schon länger und mehrmals pro Jahr betreut werden durch Timeas oder Juris Team, gibt es meistens viel neues zu erzählen.
Auch mich kennen viele der Menschen noch von früheren Besuchen. Das letze mal liegt aber Pandemie und Kriegsbedingt schon vier Jahre zurück. Im 2022 habe ich nur Hilfsgüter überbracht da der Krieg zu dem Zeitpunkt noch sehr unberechenbar gewesen ist. 2023 fiel aus, da unser Gründer Peter Muri zwischenzeitlich verstorben war.
Also vernahm auch ich viel neues. Teilweise waren Leute ausgewandert oder verstorben. Oder Sie leben jetzt irgendwo anders. Es hat Trennungen gegeben und Kinder sind ausgezogen. Das ganz normale Leben, ausser dass der Krieg natürlich viel verändert hat.
Zum weiteren Verlauf eines Besuchs. Es gibt dann jeweils wahlweise etwas zu Essen, manchmal Kaffee und Kuchen. Oder es wird nur geredet. Nachdem ausgiebig Neuigkeiten ausgetauscht worden sind, wird zum Abschluss jeweils entweder von Andre oder Timea ein Gebet für die Menschen gesprochen.
Man muss wissen, Timea ist eine engagierte Angehörige einer Kirche. Und alle Menschen die wir bisher besucht haben sind tief gläubig. Das ganze wirkt auf Martin und mich fremd. Aber wir respektieren es weil wir erkennen, dass es diesen leidgeprüften Menschen Halt und Trost spendet. Und dass es Ihnen offensichtlich viel bedeutet.
Aus all unseren heutigen Begegnungen, mit denen ich Euch nicht langweilen möchte, stach eine ganz besonders hervor. Die möchte ich Euch kurz schildern.
Wir trafen bei einem Gehöft ein, wo uns eine ganze Schar schnatternder Gänse begrüsste. Hinten im Hof blöckten Schafe und wir wurden von einer Kuh beäugt. Mittendrin eine jüngere Frau, die Körner aus Ihrer Schürze unter die aufgeregt flatternde Gänseschar verteilte. Das darauffolgende Geschnatter wurde ohrenbetäubend!
Schliesslich lud uns die Frau ins Haus. Drinnen erwarteten uns sechs neugierige Kinder. Die älteste Tochter sei 18 Jahre alt. Sie ist schwer behindert. Sowohl geistig wie körperlich und sitzt unablässig plappernd und ab und zu euphorisch kreischend im Rollstuhl.
Dann ist da ein Mädchen ca. 12 Jahre alt die ihren 8 Monate alten Bruder in den Armen hielt. Schliesslich sind da noch zwei Brüder. schätzungsweise 5 und 10 Jahre alt. Dazwischen die etwa dreijährige Tochter. All das managt die Frau mit einer Geduld, dass ich an eine Zirkusdirektorin denken musste.
Ihr jetziger Ehemann hat Sie aus einer sehr schlimmen Situation befreit, zu sich aufgenommen und schliesslich geheiratet. Eine äusserst ungewöhnliche Geschichte mit einer unglaublichen Frau im Mittelpunkt. Der Mann arbeitet in der Holzverarbeitenden Industrie.
Sie managt in der Zwischenzeit Ihren ganzen Zoo, bestehend aus schnatternden Gänsen, blöckenden Schafen, kreischenden Kindern und einer Kuh. Dazu noch die behinderte Tochter! Geld ist dafür eher Mangelware.
Würde die Frau nicht die ganze Familie quasi selbst versorgen mit Milch, Fleisch und Gemüse aus Eigenanbau, wäre das ganze unmöglich. Ihr grösster Traum ist ein grosser Van, damit Sie wenigstens ab und zu mal mit der Familie reisen könnte.
Es wird wohl ein Traum bleiben, wenn nicht ein Wunder geschieht. Nur sind die leider eher selten. Aber eine grosse Freude konnten wir Ihr denn doch noch machen. Wie schenkten Ihr die restlichen Stricksachen der Frauen vom Strickkreis, die Verena mir mitgegeben hat. Verena, bitte sag Deinen Frauen noch einmal wieviel Freude Sie diesmal herbeigezaubert haben. Ein Foto der Familie habe ich angehängt.
Ein noch grösseres Wunder wäre es, wenn die Menschen hier von der Last des Krieges befreit würden. Wenn es doch nur wahr würde.
Mit diesem Gedanken möchte ich heute schliessen. Vielen Dank für Eure Aufmerksamkeit und dass Ihr mir immer wieder zuhört.
Euer Swiss 🌹❤️
Hi Role,
extrem spannend deine Berichterstattungen und ein grosses Dankeschön an das wo ihr da macht, einfach Top.
Gruss Markus